Am Donnerstag beginnt für uns dann so richtig die Kanalfahrt. Eine Kabellänge nach dem Ablegen allerdings sofort mit einer Unterbrechung: Wir photographieren vom Boot aus das zweiteilige Sprungbild (ist ja kein Standbild!) ‚Rabbit Crossing‘. Dann wartet die erste kleinere Schleusentreppe mit insgesamt 8 Schleusen auf uns. Ab jetzt wenden wir die ‚Segelboot-Technik‘ an, mit nach hinten auf die Schotwinsch geführter Vorleine. Das vereinfacht die Arbeit ungemein – besonders mit selbstholender Winsch. So hält sich an Bord der Aufwand in Grenzen und es bleibt Zeit, sich um Helene zu kümmern. Zwischendurch jedenfalls. Helene erfreut das Spektakel sichtlich: Einerseits aufregendes Schiessen des Wassers und andere Boote an Deck, andrerseits unter Deck zeitweise Narrenfreiheit. Letzteres nutzt unser ‚Knöpfchen‘ umgehend dazu, die Kanalunterlagen und die Seitenablage neu zu sortieren. An Land kann derweil nach Herzenslust auf den Auslöser der Kamera gedrückt werden – es sind ja nur noch die Leinen über die Ringe zu legen, das war`s.
Dass man nach derlei Aufregung und anstrengender Leinenarbeit dringend eine Teepause braucht, daran erinnern uns die Briten von ‚Gas Pirate‘. Sie liegen seelenruhig an einem der Holzstege längsseits und zelebrieren eine Mittagspause – very british! Seit Söderköping ist die Familie des Eigners an Bord – das trägt bestimmt zur Gemütlichkeit bei. Der Kanal zeigt sich auf den folgenden Kilometern von seiner unglaublich abwechslungsreichen Seite. In Nähe und Ferne sind tolle Aus- und Anblicke zu geniessen. Wundervolle Gruppen hoher Bäume am Ufer, daneben wilde Blumen und Kräuter und immer wieder Steine, Felsen, Granit. Viele der Brücken entlang des Kanals werden ferngesteuert, was völlig problemlos funktioniert und nur sehr selten zu Wartezeiten führt. Denn es stellt sich heraus, dass wir zufällig ein perfektes Zeitfenster abgepasst haben, um den Kanal zu befahren: Die Höchstsaison mit überfüllten Schleusen und Häfen ist seit einer Woche vorbei, die Hauptsaison dauert jedoch noch an. Wir können unseren Zeitplan also frei bestimmen und spontan festlegen, denn es sind immer noch alle Schleusen und Brücken von 9-18 Uhr besetzt. Nach dem 19. August müssten wir uns an einen festen Zeitplan halten und im Konvoi fahren.
In einem Tal bei Klämman kommen wir durch eine malerisch gelegene alte Schleuse, die ausser Betrieb ist. Bevor wir den ersten See namens ‚Asplången‘ erreichen, ist ‚Gas Pirate‘ nach erfolgter Stärkung von hinten aufgekommen. Ich zücke die Kamera und rufe herüber: „I`d have to head to the shore, to get your whole mast on the picture!“ „Oh, just wait a minute and you`ll get it“, kommt es zurück. Und dann dampfen sie vorbei. Der Wind kommt leider genau aus West, da müssten wir gegenan kreuzen. Da der See nicht sehr groß und vor allem nicht sehr breit ist, wären die Kreuzschläge ziemlich kurz. Angesichts des Aufweckpotentials schlagender Vorsegel und knarrender Winschen entscheiden wir uns dagegen – unserer schlafenden Helene zuliebe. Am anderen Ende warten erneut einige Schleusen und Brücken auf uns. Diesmal vertauschen wir die Rollen und Lini bleibt an Bord. Schön, so ein Perspektivwechsel von unten nach oben bzw. umgekehrt.
Viel mehr als ein Steg ist der Gästehafen in Norsholm nicht. Doch zu einigen Steinchen für Helene reicht es allemal. Und einem Kaikanten-Schnack mit der Familiencrew der ‚Gas Pirate‘. Ausserdem treffen wir die Hamburger Segelyacht ‚Atacama‘ – eine Wüste auf dem Wasser – mit Päarchencrew. Sie haben die ‚kleine Ostseerunde gemacht‘: Polen, Baltikum, Finnland, Ålands und Stockholm. Jetzt springen sie kopfüber ins hier nicht mehr so trübe Kanalwasser. Und wundern sich dann über die nicht vorhandenen Leitern an Steg und Kai! So kommen sie halt über unsere Badeleiter am Heck wieder ins Trockene. In Deutschland völlig undenkbar, keine Leitern an öffentlichem Steg! Auch in vielen Schleusenbecken keine Rettungsleitern! Gut, die sind historisch, aber trotzdem…